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                                                     Schweinemast

 

Schweine sind ausgesprochen neugierige, lernfähige und intelligente Tiere, die

sogar über ein gewisses Ich-Bewusstsein verfügen. Ihr natürlicher Lebensraum

sind Wälder mit Büschen und sumpfigen Plätzen, wo sich die Tiere in festen Re-

vieren bewegen. Die Weibchen bilden Gruppen mit einer klaren Sozialstruktur, die

aus mehreren weiblichen Tieren und ihren Jungen (insgesamt bis zu 30) bestehen

und von einem der ältesten und erfahrensten Weibchen angeführt werden. Die

meisten ihrer Aktivitäten führen weibliche Schweine in der Gruppe aus ‒ zeitweise

betreiben sie sogar gegenseitige Körperpflege, wobei sie die Körperoberfläche

ihres Gegenübers mit der Schnauze abtasten und massieren. Die meiste Zeit des

Tages verbringen sie mit der gemeinsamen Nahrungssuche, z. B. indem sie groß-

flächig den Boden mit dem Rüssel nach Pilzen, Knollen, Wurzeln, Larven und Käfern

durchwühlen. In der konventionellen Haltung können Schweine diesen Drang nach Erkundung kaum ausleben.


Leben in der Massentierhaltung
In Deutschland werden derzeit über 28 Millionen Schweine zum Zweck der Fleischproduktion gehalten. Schweine im MaststallZur Schweinemast werden sowohl männliche als auch weibliche Tiere eingesetzt. Knapp 48% der Mastschweine leben in Betrieben mit 1000 bis über 5000 Schweinen und dabei in geschlossenen Ställen, die überwiegend mit Vollspaltenböden ausgestattet sind – das bedeutet, die Tiere leben auf harten Betonböden, die abwechselnd aus Betonstegen als Auftrittsfläche und schmalen Spalten als Durchlass für Kot und Harn bestehen. Diese Böden decken sowohl den Fress- und Bewegungsbereich als auch den Liegebereich ab – nur in seltenen Fällen sind hierbei Teile des Bodens mit Einstreu bedeckt.

                                                                             Derzeit werden Mastschweine in Intensivhaltung meist in Gruppen von 12–20 Tieren

                                                                             gehalten – seit einigen Jahren haben sich allerdings auch stark technisierte

                                                                             Betriebe mit Gruppengrößen von bis zu 350 Schweinen etabliert. In den Ställen

                                                                             haben die Tiere kaum Raum zur Verfügung: Für Mastschweine mit einem

                                                                             Körpergewicht von über 50–110 kg ist eine Mindestbodenfläche von lediglich 0,75 m²

                                                                             pro Schwein vorgesehen, für Schweine mit einem Gewicht von über 110 kg eine

                                                                             Fläche von 1 m².
                                                                             Aufgrund des durch die Enge bedingten Bewegungsmangels und somit

                                                                             geschwächten Immunsystems der Tiere werden Schweinen in der Schweinemast

                                                                             routinemäßig Antibiotika verabreicht, um das Infektionsrisiko zu senken. Als weitere

                                                                             Folge der hohen Besatzdichten, aber auch des häufigen Fehlens von veränderbaren und wechselnden Beschäftigungsmaterialien (wie etwa nachgestreutem Stroh oder rohfaserreichen Futtermitteln), kommt es in der Schweinehaltung häufig zu Verhaltensstörungen wie Schwanz- und Ohrenbeißen, die sich bis hin zum Kannibalismus entwickeln können. Als prophylaktische Gegenmaßnahme werden den Schweinen im Ferkelalter die Schwänze gekürzt

In der Fleischproduktion ist die Intensivmast die Regel, bei der die Schweine innerhalb von 6 Monaten auf ein Endgewicht von 110–125 kg hochgemästet werden – hierbei nehmen die Tiere bis zu 1 kg Körpergewicht pro Tag zu. Diese enormen »Leistungen« resultieren aus dem Zusammenwirken der intensiven Fütterung mit energiereichem Kraftfutter und der gezielten Zucht auf Hochleistung. Zugunsten eines möglichst hohen Gewinns auf Seiten der Landwirte, werden Schweine auf extrem beschleunigtes Wachstum und hohe Fleischfülle hin gezüchtet. Zudem werden die Körperproportionen der Tiere zunehmend den Verbraucherwünschen angepasst, indem eine Verringerung des Rückenspeckanteils (bzw. Erhöhung des Magerfleischanteils) und eine Vergrößerung des Schinkenanteils erzielt werden. Dieser Überzüchtung können die Körper der jungen Tiere nicht Stand halten, weshalb es in zahlreichen Fällen zu schwerwiegenden Erkrankungen kommt, die mitunter zum frühzeitigen Tod der Tiere führen

Muttersauen in KastenstandAls Zuchtsauen werden in Deutschland überwiegend

Tiere der Deutschen Landrasse (DL) eingesetzt, für welche die Merkmale große Länge,

schnelles Wachstum, schwache weiße Behaarung und hohe Fruchtbarkeit charak-

terisierend sind. Knapp 39 % der Sauen leben in Zuchtbetrieben mit einer Bestands-

größe von 500 und mehr Zuchtsauen und dabei in Ställen, die mit Voll- oder Teil-

spaltenböden ausgelegt sind. Für Zuchtsauen gelten jeweils unterschiedliche

Haltungsbestimmungen, abhängig davon, in welcher Phase der Zucht (Besamung,

Trächtigkeit, Säugezeit) sie sich aktuell befinden:
Während der Besamungsphase (auch Bedeckung oder Belegung genannt) werden

die Sauen künstlich geschwängert und meist einzeln in sogenannten Kastenständen gehalten – d. h. in einem durch Metallstangen an allen Seiten eingegrenzten Stand, der mit Maßen von 0,55–0,70 m Breite und 1,6–1,9 m Länge nur unwesentlich größer ist als der Körper der Sau selbst und der in der Regel nicht mit Einstreu ausgestattet ist. In dieser Haltungsform werden die Sauen zu fast völliger Bewegungsunfreiheit gezwungen: lediglich das Aufstehen, Niederlegen und das Ausstrecken von Kopf und Gliedmaßen sind hier möglich, wobei die Tiere jedoch nicht einmal Platz haben, sich umzudrehen, geschweige denn zu gehen (nur ein bis zwei Schritte vor und zurück sind möglich). Zusätzlich wird diesen sozialen Tieren der natürliche Umgang zu Artgenossen fast vollständig verwehrt: Durch die metallene Absperrung hindurch können allenfalls Sicht- und ansatzweise Haut- und Geruchskontakt mit den benachbarten Artgenossen stattfinden. Verhaltensstörungen wie Leerkauen und »Trauern« (Sitzen auf den Hinterläufen mit hängendem Kopf) sind die Folge.

Spätestens 4 Wochen nach der erfolgreichen Besamung im Kastenstand werden die tragenden Sauen in den »Wartestall« verlegt, wo sie in Gruppen gehalten werden. Hierbei sind Gruppen von etwa 10–20 oder auch von mehr als 100 Tieren möglich. Nicht gruppentaugliche Sauen und Sauen in Betrieben mit einer Bestandsgröße von unter 10 Sauen dürfen auch in dieser Phase einzeln gehalten werden, insofern sie sich in den Einzelständen umdrehen können. In Gruppenhaltung stehen jeder der bis zu 320 kg schweren Sauen lediglich zwischen 2 und 2,5 m² Platz zur Verfügung.

1 Woche vor der Abferkelung (Geburt der Ferkel) werden die hochträchtigen Tiere in die sogenannte Abferkelbucht verlegt, wo sie bis zum Absetzen der Ferkel (Trennung der Jungtiere von der Mutter) verbleiben. Die Situation der Sau gestaltet sich hier quasi genau wie im Kastenstand: Sie ist komplett von einem sogenannten Abferkelgitter (oft auch beschönigend als »Ferkelschutzkorb« bezeichnet) umgeben, d. h. von einem Metallkäfig mit einer Breite von 0,65–0,75 m, der ihr fast jegliche Bewegungsfreiheit nimmt. Um die Sau herum befindet sich noch ein geringfügiges Raumangebot für die Neugeborenen (0,06 m² Ferkelnestgröße pro Ferkel). Durch die Metallabsperrung wird es der Muttersau verwehrt, einen natürlichen Kontakt zu ihren Neugeborenen aufzubauen – während der gesamten Zeit ist es ihr nicht möglich, ihre Jungen zu pflegen oder mit ihnen zu interagieren.

Im Alter von etwa 4 Wochen werden die Jungtiere von ihrer Mutter getrennt und unabhängig davon, ob sie später als Zucht- oder Mastschweine genutzt werden, zunächst in eine reine Ferkel-Gruppenhaltung gesteckt. Die Sau kommt nach dem Absetzen der Ferkel meist sofort in den Kastenstand zurück, wo sie schon nach ca. 5 Tagen erneut besamt wird, womit der Kreislauf von neuem beginnt. Diese Tortur halten die meisten Sauen nicht lange durch: Da sich bei den Tieren häufig haltungs- und zuchtbedingte Erkrankungen einstellen (s. u.), werden die Sauen nach durchschnittlich 2,5 Jahren Nutzung als Zuchtsau (bzw. nach 5–6 Schwangerschaften) geschlachtet.

(Quelle: Albert-Schweitzer-Stiftung)

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